Viele Bundesländer haben sich vor dem Hintergrund steigender Gewalt gegen Polizisten dazu entschieden, Body-Cams im polizeilichen Einsatz zu pilotieren. In einigen Ländern wurden diese bereits flächendeckend beschafft. Dabei stellt sich die Frage nach dem optimalen ergonomischen und funktionalen Design der Kameras. Dazu gehört auch die Option eines Frontbildschirms. Das Land Nordrhein-Westfalen hat in dem Projekt „Body-Cam in NRW“ den Einsatz in sechs Pilotwachen im Zeitraum von Mai 2017 bis Januar 2018 im Wachdienst getestet. Das Projekt wurde wissenschaftlich begleitet durch das Institut für Polizei- und Kriminalwissenschaft der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung NRW. In dem rund 150-seitigen Abschlussbericht vom 31. Juli 2019 bestätigt das Institut die Erfahrungen, die mit Body-Cams bisher in Deutschland und weltweit gemacht wurden.
/ ZUSAMMENFASSUNG
Das erwartete de-eskalative Wirkpotenzial von Body-Cams in polizeilichen Einsatzsituationen wurde bestätigt, auch bei Personen unter Drogen- oder Alkoholeinfluss. Body-Cams als Einsatzmittel der Polizei werden zudem von den Bürgern und Bürgerinnen grundsätzlich akzeptiert. Auf Basis der wissenschaftlichen Faktenlage empfiehlt der Abschlussbericht, auf Frontbildschirm-Kameras zu verzichten. Diese tragen eher zur Eskalation von Einsatzlagen bei. In bestimmten Situationen kann sogar eine zusätzliche Gefährdung der Polizeikräfte entstehen. Ihre Störanfälligkeit und fehlende Nutzerunfreundlichkeit machen sie für den täglichen polizeilichen Einsatz ungeeignet.
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BODY-CAMS MIT FRONTBILDSCHIRM
- Zusätzliche eskalation und gefährdung der polizeikräfte
- Erhöhte stör- und schadensanfälligkeit durch verlust an robustheit
- Erschwerte intuitive und schnelle
- Handhabung in kritischen einsatzlagen
- Reduzierte akkulaufzeit bei erhöhtem gewicht
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/ UNTERSCHREITUNG DER EIGENSICHERUNGSDISTANZ
Die Front-Displays reizten das polizeiliche Gegenüber zum Unterschreiten der Eigensicherungsdistanz. Insbesondere alkoholisierte Adressaten versuchten durch Näherkommen, sich selbst zu erkennen oder die Aufnahme zu verhindern. (Seite 72, 127)
/ EIGENSICHERUNG GEFÄHRDET
In bestimmten Einsatzlagen könne zudem das Leuchten des Displays zu einer Gefährdung der Eigensicherung der Polizeikräfte führen. (Seite 127)
/ ERHÖHTE STÖR- UND SCHADENSANFÄLLIGKEIT
Hinzu kommt eine erhöhte Störungs- und Schadensanfälligkeit derartiger Body-Cams. So bemängelte das Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste (LZDP) Nordrhein-Westfalen in seinem Projektstatusbericht die hohe Reparaturquote der getesteten Kameras, u.a. durch Risse im Display. Auch wegen der Störanfälligkeit der getesteten Frontbildschirmkameras wurde das Pilotprojekt im Dezember 2017 vorzeitig beendet.
/ VISUELLE VERHALTENSSPIEGELUNG VERFEHLT
Durch die geringe Größe des Front-Displays können sich Personen bei normalem Abstand auf dem Bildschirm nur schemenhaft erkennen. Dies verhinderte regelmäßig die erhoffte De-Eskalation durch visuelle Verhaltensspiegelung des Adressaten. (Seite 73, 122)
/ ESKALATION DURCH FRONTBILDSCHIRM
Es konnte sogar der gegenteilige Effekt festgestellt werden: Das Wiederherstellen der Eigensicherungsdistanz führte zur Eskalation, insbesondere wenn dazu Zwang erforderlich war. (Seite 72, 84)
/ BELEIDIGUNG UND BEHINDERUNG
Auch wurde das Display gelegentlich für nonverbale Provokationen oder Beleidigungen genutzt. Dadurch könne es erst zur Entstehung von Einsatzlagen kommen, wenn etwa betroffene Polizeikräfte vom polizeilichen Gegenüber eine Erklärung einforderten. Ebenso hat es Fälle gegeben, in denen das Interesse des polizeilichen Gegenübers, sich selbst in der Kamera zu erkennen, zur Behinderung der eigentlichen Polizeiarbeit führte. (Seite 64, 81,127)